Zur Verkehrssicherungspflicht bei Vorliegen einer sogenannten Blitzeissituation

AG Luckenwalde, Urteil 18.01.2008 – 12 C 220/04

Zur Verkehrssicherungspflicht bei Vorliegen einer sogenannten Blitzeissituation

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist für die Beklagten hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt vorbehalten, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Beklagten zu 1.) und 2.) sind Eigentümer eines Grundstückes am … in Jüterbog. Auf diesem Grundstück errichtete die Beklagte zu 3.) einen Einkaufsmarkt und pachtete insoweit das Grundstück der Beklagten zu 1.) und 2.). Ausweislich des Pachtvertrages vom 03. April 1996 übernahm die Beklagte zu 3.) gem. §8 des Vertrages nicht die Räum- und Streupflichten hinsichtlich des Grundstückes. Diese verblieben vielmehr bei den Beklagten zu 1.) und 2.).

Am 13. Januar 2003 gegen 18.30 Uhr beabsichtigte der Kläger mit dem in seinem Eigentum stehenden Pkw Renault Laguna mit amtlichem Kennzeichen TF-… ;, auf das Parkplatzgelände des Einkaufsmarktes der Beklagten zu 3.) auf dem Grundstück der Beklagten zu 1.) und 2.) aufzufahren. Die Auffahrt zum Parkplatz des Einkaufsmarktes ist leicht abschüssig und der Parkplatz selbst aus Betonpflastersteinen errichtet. Der Kläger kam auf der Auffahrt aufgrund dessen, dass diese vollständig vereist war, ins Rutschen und prallte gegen einen anderen Pkw.

Der Kläger behauptet, dass ihm durch den Unfall insgesamt ein Sachschaden von 4.621,31 € entstanden sei. Er ist der Ansicht, dass für diese Sachschäden die Beklagten einzustehen haben, da die Übertragung der Räum- und Streupflicht in dem Pachtvertrag zwischen den beklagten Parteien die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten zu 3.) nicht entfallen lasse. Darüber hinaus behauptet der Kläger, dass die Beklagte zu 3.) von mehreren Kunden über den völlig vereisten Parkplatz informiert worden sei und dessen ungeachtet die Beklagte zu3.) keine Warnhinweise an der Einfahrt angebracht habe. Letztlich haben die Beklagten aufgrund einer Wetterwarnung darum wissen müssen, das es zu Eisregen kommt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 4.621,31 € zu zahlen nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.06.2003.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 19.08.2004 (Bl. 125/126 d.A.) und 21.10.2004 (Bl. 178 bis 179 d.A.) Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2006 (Bl. 164 bis 176 d.A.) und die Mitteilung des Wetterdienstes vom 24.02.2005 (Bl. 209 bis 212 d.A.) voll inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten weder Ansprüche aus §823 Abs. 1, 831 Abs. 1 BGB noch aus §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB.

1.) Dabei kann es das Gericht dahingestellt sein lassen, ob die Beklagte zu 3.) als Pächter des Grundstückes tatsächlich sämtliche Verkehrssicherungspflichten bei den Grundstückseigentümern, mithin den Beklagten zu 1.) und 2.) vertraglich belassen konnte oder ob die Beklagte zu 3.) tatsächlich aufgrund ihrer Verkehrsraumeröffnung eine eigene Verkehrssicherungspflicht gegenüber ihren Kunden trifft. Im Ergebnis haben weder die Beklagten zu 1.) und 2.) noch die Beklagte zu 3.) eine Verkehrssicherungspflichtverletzung begangen. Nach der Beweisaufnahme und letztlich auch der eigenen Darstellung des Klägers steht zur hinreichenden Überzeugung des Gerichtes fest, dass eine so genannte Blitzeissituation vorlag, bei der grundsätzlich erst dann sinnvolle Streumaßnahmen und Abstumpfungsmaßnahmen eingeleitet werden können, wenn der Regen aufhört.

Die Räum- und Streupflicht besteht nur im Rahmen des Zumutbaren, insbesondere obliegt dem Streupflichtigen keine Verpflichtung, zwecklose Maßnahmen zu ergreifen, die bei der konkreten Wetterlage nur zu einer unwesentlichen und ganz vorübergehenden Minderung der im Verkehr drohenden Gefahr durch Eisglatte führen würde (vgl. dazu OLG Brandenburg, Urteil vom 28.09.1999 zu Aktenzeichen 2 U 11/99 in MDR 2000, 159; sowie OLG Schleswig, Urteil vom 04.01.1973 zu Aktenzeichen 5 U 198/71 in VersR 1975, 431; jeweils beide mit weiteren Nachweisen auf die obergerichtliche Rechtsprechung). Insbesondere bei so genanntem Glatteisregen ist eine solche Situation regelmäßig gegeben. Nach dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes war der Boden zum Unfallzeitpunkt bis auf eine Tiefe von 25 bis 30 cm durchgefroren. Fällt auf einen solchen Boden Regen, ist es allgemein bekannt, dass dieser sofort gefriert und den gefrorenen Erdboden mit einer mehr oder weniger dicken Eisschicht überzieht. Von daher war es den Beklagten weder vor dem Einsetzen des Regens noch bei dem Regen möglich, zumutbare Abstumpfungsmaßnahmen einzuleiten. Das Gericht konnte es insoweit dahingestellt sein lassen, ob eine Wetterwarnung tatsächlich für diesen Tag vorlag und diese Wetterwarnung die Beklagten auch tatsächlich erreichte. Denn selbst wenn eine solche Wetterwarnung vorgelegen hätte, wäre es den Beklagten nicht zumutbar gewesen, quasi im Vorfeld des Regens Salz oder Sand auf die Parkplatzfläche aufzubringen. Im Zuge des einsetzenden Regens hätte dieser sowohl das Salz als auch den Sand weggespült und es wäre dennoch zu der Vereisung des Parkplatzes gekommen (vgl. OLG Brandenburg aaO). Sofern die Beklagten bei dem Regen Sand oder Salz auf die Parkplatzfläche aufgebracht hätten, so hätte dies kaum zu einer Abstumpfung geführt, da auch dieses aufgebrachte Abstumpfungsmaterial durch den Regen und den starken Frost im Erdboden sofort überfroren wäre.

Auch ist den Beklagten nicht vorzuwerfen, dass sie sich nicht an der Auffahrt postiert haben und vor der glatten Auffahrt gewarnt haben. Insoweit ist es bereits fraglich, ob die Beklagten überhaupt Kenntnis von dieser Situation auf dem Parkplatz gehabt haben. Dies ist zumindest bei den Beklagten zu 1.) und 2.) erheblich fraglich. Auch konnte der Beklagte keinen Beweis dafür antreten, dass das Personal der Beklagten zu 3.) von der erheblichen Glättesituation auf dem Parkplatz in Kenntnis gesetzt wurde. Doch selbst wenn die Beklagten um diese Situation gewusst hätten, so hätte diese Kenntnis auch ohne weiteres der Kläger selbst haben können. Dieser schilderte insoweit selbst, dass er um den Dauerfrostboden wusste und mitbekommen hat, dass es auf dem Weg zum Supermarkt begann zu regnen. Bei dieser Situation muss jedem eindeutig klar sein, dass dies zu einem Überfrieren einer Fahrbahnfläche führen wird und zu besonderer Vorsicht und Aufmerksamkeit Veranlassung geben muss. Von daher hätten die Beklagten gegenüber dem Kläger keinen Wissensvorsprung gehabt, der sie dazu verpflichtet hätte, auf das für bei dieser Wettersituation erkenn- und voraussehbare Blitzeis hinzuweisen.

2.) Doch selbst wenn man mit der Ansicht des Klägers eine Pflichtverletzung in der unterlassenen Warnung vor dem Blitzeis erkennen will, so ist auch dem Kläger ein Verschuldensvorwurf zu machen. Der Kläger hat durch das sorglose Auffahren auf das Parkplatzgelände, trotz Kenntnis der Blitzeissituation, seinerseits in so erheblichem Maße gegen seine eigenen Sorgfaltspflichten als Pkw-Fahrer aus § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 StVO verstoßen, dass etwaige Verschuldensanteile der Beklagten gemäß § 254 Abs. 1 BGB vollständig zurücktreten würden. Der Kläger hätte aufgrund der von ihm behaupteten Wetterwarnung durch den Deutschen Wetterdienst hinsichtlich der Glatteissituation am Unfalltage selbst davon Kenntnis haben müssen, dass eine Blitzeissituation droht und insoweit sein Fahrverhalten darauf ausrichten müssen. Dies hat er offensichtlich nicht getan, da es ansonsten zu den hier streitgegenständlichen Unfallfolgen nicht gekommen wäre.

3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 71 I LPO.

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